Offener Brief für unsere britischen Freunde

von Bernard Guetta, Mitglied des Europäischen Parlaments

Vielleicht ist es schon zu spät. Auf jeden Fall, ist es bereits für euch zu spät, doch ich will es nicht glauben. Im Irrglauben rufe ich euch nach: Verlasst uns nicht, tut es nicht!

Verlasst uns nicht, denn mehr als unsere ökonomischen und strategischen Interessen, geht es hier um mehr als zweitausend Jahre gemeinsame Geschichte, die Logik einer inneren Vertrautheit, zwanzig Jahrhunderte Wechselwirkungen und Parallelevolutionen, welche hier in Gefahr gebracht werden, ohne Rechtfertigung.

Zwischen uns gibt es auf jeden Fall Auseinandersetzungen, die uns unterschiedlich machen und unsere Illusionen nähren. Manche behaupten, wenn wir uns auf beiden Seiten des Aermelkanals, unserem Binnenmeer, aufteilen, koppeln wir unsere Energien aus und erweitern den Bereich des Möglichen. Einige erhoffen sich, dass Großbritannien den einst verlorenen Ruhm zurückerlangt, wieder andere erhoffen sich, von eurem Gewicht befreit, eine Rückkehr zur guten alten Welt. Diese Illusionen tragen viel Gewicht, aber wenn ihr uns jetzt verlasst, wachen wir beide schliesslich von diesen Kindesträumen zersplittert auf.

Die Demokratie ist uns gemeinsam, welche eure Revolution, ein Jahrhundert vor der französischen, wiedererfunden hat, ohne, dass Terror von Nöten gewesen wäre. Der Wendepunkt der Aufklärung hätte ohne englische, schottische und irische Philosophen und Denker nie stattgefunden. In England ist die industrielle Revolution geboren, die Europa als Sinnbild der Erneuerung und Moderne hat gelten lassen. Shakespeare, eurer Shakespeare, hat unsere Vorstellungskraft geprägt und ohne Churchill, der Staatsmann dessen Format das vergangene Jahrhundert dominiert hat, wäre es nicht unmöglich, dass die nationalsozialistische Grausamkeit triumphiert hätte.

Wir sind euch so vieles schuldig, sodass, falls ihr uns den Rücken zukehrt, ihr uns verstümmelt zurücklasst. Aber, was wird aus euch ohne dem Kontinent?

Werdet ihr so weit gehen, dass ihr eure normannische und römische Identität aufgebt sowie die Wiege eurer Entstehung, das Christentum? Unterschätzt ihr etwa die Auswirkung die Deutschland, Frankreich und Italien auf eure grössten Künstler hatten? Oder wie die französische Revolution oder die Aufklärung sich auf euer geistiges und intellektuelles Leben ausgewirkt haben?
Könnt ihr etwa vergessen, dass die Windsor anfangs deutsche waren oder dass Marie Stuart, Königin Schottlands und Mutter eines englischen Monarchen, auch Königin von Frankreich war? In einem Wort: Könnt ihr davon absehen, dass ihr nicht seit der Enstehung der Vereiningung und jetzt Union Europas, sondern noch viel früher, seit Julius Caesar die Bretagne eroberte, um die Unterwerfung Galliens zu Ende zu bringen, zu uns gehört?

Wie im Krieg als auch im Frieden, verbinden uns zweitausend Jahre gemeinsame Geschichte und ihr würdet euch heute von uns entwurzeln, euch von uns abtrennen, wir uns von eurem Europäertum entzweien, zur gleichen Zeit wo unsere Einheit und unsere gemeinsamen Institutitonen uns endlich erlauben, uns allen Europaern, euch wie auch uns, zu leben, ohne uns gegenseitig abzustechen, den selben Pass zu tragen und dasselbe Parlament zu wählen?

Das ist nicht möglich. Das wäre unmöglich. Das wäre so töricht das ich es weder akzeptieren will noch kann und nicht nur, weil ihr Teil meiner Selbst seit, auch, weil meine Mutter ihre Kraft durch die Anhörung von “Radio Londres” bezog.

Abgesehen von der Vergagenheit, die uns geschaffen hat, eröffnet sich ein neues Zeitalter. Wir können uns darin verlieren, oder wir können daraus eine Wiedergeburt machen. Dieses Zeitalter wird von Kontinentalstaaten dominiert werden: die Vereinigeten Staaten von Amerika und China sicherlich, Indien und Brasilien vielleicht, und selbstverständlich Europa, falls es sich als politische Führungsmacht herausstellt und nicht weiter aufteilt. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika und China, gehört Europa zum Trio der globalen Wirtschaftsmächte. Das Vereinigte Europa ist eine Superwirtschaftsmacht, die genug in sich hat um die anderen zwei Staaten zu übertrumpfen. Es wundert daher nicht, dass Washington und Peking eine Aufteilung anstreben. Es gibt keinen anderen Grund am Enthusiasmus des Herrn Trumps gegenüber des Brexits aber ihr, Briten, habt welches Interesse ihn in dieser Hinsicht zu befriedigen?

Wärt ihr alleine besser aufgehoben eure Handelsabkommen mit den USA zu verhandeln als zusammen mit uns, mehr als 500 Millionen Europäern?

Die Antwort ist eindeutig. Die Antwort ist bereits in der Frage enthlaten, ihr könnt euch nicht im selben Rahmen mit den Vereinigeten Staaten sowie China sehen. Ihr seit nicht Amerikaner, weil ihr, sowie wir, es ablehnt, dass Geld Wahlen entscheiden kann und, dass man reich sein muss, damit man Gut behandelt wird. Ihr seit nicht Chinesen, weil der grösste und ausgereifste Polizei Staat genau das Gegenteil von Grossbritannien ist. Ihr seit weder Amerikaner noch Chinesen, sondern Europäer, weil ihr an der sozialen Absicherung sowie an der Vermögensverteilung festhaltet und, dass es nicht möglich ist, dass alles käuflich ist, besonders nicht eine Mehrheit, die ein Land regiert. Ihr seit Europaer und würdet durch eure Isolation euch in die Hände von China und den Vereingiten Staaten spielen.

Das ist unvorstellbar. Es wäre unbegreiflich wenn ihr dies tun wuerdet anstatt an der Abbildung des Bollwerks der Freiheit, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, welches die Europäische Union ist, mitzuarbeiten.

Mehr als eure Interessen, verbieten euch eure Werte die Wahlmöglichkeit. Derzeit wo wir, ihr und wir, wir Europäer die Aufklärung gegen den Obskurantismus und das Recht des Stärkeren verteidigen müssen, könnt ihr nicht eure weltweiten Bestrebungen zur Freiheit, Demokratie und Rechtstaat hintegehen.

Gegen die neuen extremen Rechten, gegen Herrn Trump und Poutine, Erdogan und Xi, Orban und Bolsonaro müssen wir uns wehren und den Sieg davontragen, wie Ihr damals während des Krieges. Es ist daher unmöglich, dass ihr uns verlasst.

Ihr werdet es nicht tun, da wie für uns als auch für euch, geht es hier um eine Frage des Seins oder des nicht Seins.

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