Leitartikel erschienen in La Repubblica am 04.11.2019

Gute oder schlechte Nachricht? Gute auf jeden Fall sagt man sich, denn nichts ist richtiger und beruhigender als Gründe, die große Menschenmengen von Männern und Frauen in vier Ecken der Welt auf die Straße bringen.

In Hong Kong so wie in Beirut, in La Paz sowie in Bagdad, in Conakry sowie in Algier und in vielen anderen Städten, demonstrieren diese Menschenmengen für den Rechtstaat und gegen soziale Ungerechtigkeiten, für die Freiheit und gegen die Korruption, für die Umverteilung der Steuereinnahmen und gegen die Zerstörung der Natur, für die Demokratie und gegen die Diktaturen, seien sie militärisch, präsidentialistisch, oligarchisch oder kommunistisch. Wie kann man nicht sehen, dass sich im Libanon, Sudan, Irak und Algerien der zweite Akt der arabischen Revolutionen in Szene setzt, die wir als verstoben und begraben ansahen, die jedoch heute auferstehen, immer noch im Namen der Menschenrechte und nicht eines identitäterischem und religiösem Fanatismus?

Vor dem Mut der Iraker, der Beständigkeit der Algerier, der innergemeinschaftliche Brüderlichkeit der Libanesen oder dem politischen Verstand der Sudanesen, wie können wir weiter leugnen, dass es keine, aber wirklich keine, geringe Unverträglichkeit zwischen dem Islam und der Demokratie gibt? Die Demokratie, die heute, aber wie, nirgends so vibrierend wie in der Hoffnung und der Mobilisierung der arabischen Welt ist? Wie kann man abtun, dass, von Guinea bis Bolivien, die Völker nicht mehr gewählte Diktaturen und Präsidenten auf Lebenszeit wollen und diese Realität ist so stark, dass Sie sich bereits Gehör verschafft in Budapest, Ankara und Moskau?

Und wenn die Chilenen so stark die Privatisierung der ganzen Wirtschaft und den Wachstum nur zum Vorteil der Reichsten ablehnen, wie kann man nicht begreifen, dass die konservative Revolution Margareth Thatchers und Ronald Reagans sich erschöpft, dass das Blatt sich wendet, dass der Staat die Lösung wird, die Volker das anstreben und dass die Weigerung der Besteuerung dazu geführt hat, dass die soziale Solidarität zerbrochen ist auf deren sich die Menschenwürde und der soziale Frieden beruhten?

‘‘Demokratie’’, ‘‘Gerechtigkeit’’, ‘‘Solidarität’’, ist was heute auf allen Kontinenten gerufen wird und wie kann man sich nicht dieser großartigen Rückkehr zu den Idealen der Aufklärung und der französischen Revolution erfreuen; diese Rückkehr zu den drei unabdingbaren Worten, die auf jedem Giebel eingraviert sind: ‘‘Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit’’?

Niemand kann heute mehr sagen, dass diese Werte von sozialer Gerechtigkeit und politischer Freiheit nicht universell seien. Kein Diktator kann nunmehr behaupten, dass die Russen, die Chinesen oder die Afrikaner nicht die gleiche Konzeption hatten, aber wo führt uns diese Dekade, die von den Tunesiern eröffnet, von Hong Kong und Algerien wiedereröffnet und wo wir eines Tages darüber reden werden wie die Sixties, hin? Diese Dekade, die diese Situation, überall, vollständig und nachhaltig verändert hat, von Prag bis Tokyo, von los Angeles bis Paris?

Man möchte sagen, dass die Früchte noch über die Erwartungen der Blumen hinausgehen und dass sich ein neuer Frühling der Voelker ankündet aber leider ist diese Sicherheit nicht angetroffen. Man hofft es. Man will glauben, dass neue Rückschlage nicht so weit gehen werden, wie sie es 2011 taten. Man würde so gerne auf diese urbanen Mittelklassen zählen, die sich in diesem Moment, in vielen Länder, mit den entgegengesetzten Städten und Landkreisen verbrüdern. Aber zwischen Hoffnung und seiner Umsetzung gibt es noch zwei Hindernisse zu überwältigen, die nicht zu unterschätzen sind.

Das erste Hindernis ist, dass im Lager der Verbrüderung, der Linken, des Zentrums und der Progressisten kein neuer intellektueller Elan gefunden wurde, der schon seit dem letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts fehlt. Der Partei der Freiheit fehlen Ideen, es fehlt der Treibstoff und es ist umso dramatischer, da das die Wiedergeburt und Behauptung ermöglicht hat, ein Primat vielleicht, der Reaktionären Ideen, die im neunzehnten Jahrhundert geboren wurden, nämlich der Kritik der französischen Revolution und der Anfechtung der Aufklärung. Selbst minoritär, sind die schwungvollsten politischen Kräfte heute die Rechtsradikalen und autoritären und xenophoben Nationalisten, die auch auf den fahrenden Zug steigen könnten und somit an der Spitze der Bewegung sein könnten, sowie es der Faschismus und der Nazismus Anfang des letzten Jahrhunderts taten.

Das Bestreben nach einer Rückkehr des Staates, der die schwächsten verteidigt, kann die Rückkehr eines starken Staates in den Händen des diktatorischen Regimes bedeuten. Die Ablehnung des wirtschaftlichen Neoliberalismus kann uns zur Ablehnung der politischen Freiheiten führen, wie man das nicht nur im Osten sehen kann, sondern auch in vielen Bereichen der westlichen Demokratien. Nichts ist noch nicht sicher, aber diese Gefahr ist nicht unmöglich, denn die erste Wirtschafts- und Militärmacht der Welt ist, im Moment, aus dem Lager der Freiheit ausgestiegen, obwohl Sie davor immer der Chef war.

Mit Herrn Trump hat die Freiheit seinen wichtigsten Alliierten verloren. Das ist die zweite Sorge, aber der Nero Amerikas hat es so übertrieben, obwohl er nicht Kaiser ist, sondern nur Präsident und deshalb könnte sich bald ein neues Kapitel in den Vereinigten Staaten eröffnen. Noch nie gab es glaubwürdige demokratische Kandidaten wie diese, die jetzt zur Wahl stehen und die so die soziale Ungerechtigkeit und den Rückgang des Staates kritisieren. Was man in der Parade der globalen Revolte hört wird man von morgens bis abends während den sechs Monaten der Vorwahlen und der demokratischen Konvention hören. Donald Trump kann vielleicht wiedergewählt werden, aber wenn die Umfragen nicht lügen und die neuen Demokraten ans Kommando kommen, dann könnten die Vereinigten Staaten in einem Jahr, das sah man schon einmal, die Führung in einer großen sozialen Auslegung übernehmen, Prioritäten zu kollektiven Einrichtungen setzen, Steuern auf die Größten Einkommen einführen, die Besteuerung der Gewinne erhöhen und die Errichtung eines öffentlichen Gesundheitssystems einführen.

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