Sie wollen nicht aufgeben. Diese Demonstranten, die Abend für Abend die Straßen von Tiflis füllen, lehnen es ab, dass Bidzina Iwanischwili, der reichste Mann Georgiens, seine parlamentarische Mehrheit nutzen kann, um die Oppositionskräfte zu zwingen, sich als „Agenten des Auslands“ zu deklarieren.
Dies war bereits in Moskau geschehen und der Rest ist bekannt. Danach verschwindet jede freie Presse, jede Kritik an der Macht führt ins Gefängnis oder sogar zum Tod, die Angst kehrt zurück und die Diktatur wird errichtet, Modell Putin.
Das, wogegen Tiflis demonstriert, ist also nichts anderes als der jüngste Versuch des Kreml, die imperialen Grenzen Russlands wiederherzustellen. Der erste Angriff auf Georgien erfolgte bereits 2008, als zwei seiner Provinzen wieder unter russische Kontrolle gerieten. Dann folgten die Annexion der Krim, die Abspaltung des Donbass und die Invasion der Ukraine, und nun ist es Georgien, das Wladimir Putin durch seinen Vasallen und Verpflichteten Iwanischwili erneut angreift.
Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Es ist umso erschreckender, als die Geheimdienste offenbar allen Grund haben, die Sabotageaktionen, die sich in Europa häufen, dem Kreml zuzuschreiben. Die Demokratien müssen in der Ukraine weniger denn je nachlassen. Sie dürfen Putin nicht den Sieg überlassen, aber es gibt noch eine weitere Schlussfolgerung, die aus dem georgischen Kräftemessen gezogen werden muss.
Nicht nur, dass Georgien für seine Unabhängigkeit und Demokratie demonstriert, nicht nur, dass Georgien seinerseits die Universalität des Strebens nach Freiheit demonstriert, sondern wie in der Ukraine wollen 80% der Bevölkerung Georgiens der Europäischen Union beitreten. Zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union, deren Flaggen in Tiflis geschwenkt werden, haben die Georgier eine so massive Wahl getroffen, dass Iwanischwilis Partei, der Georgische Traum, sich für einen Beitritt zur Union aussprechen musste, mit der nun Verhandlungen aufgenommen wurden.
Wladimir Putin und sein Regime müssen ihre Krallen ausfahren, weil sie sehen, dass der russische Einfluss durch die Ansteckung mit der Demokratie zurückgeht. Sie töten in der Ukraine und könnten in Georgien hart durchgreifen, aber könnten sie in Tiflis das erreichen, was sie in Kiew nicht schaffen?
Die Antwort lautet: Nein. Der Sieg, den der Kreml an einer Front nicht erringen kann, wäre an zwei Fronten gleichzeitig noch unerreichbarer. Der russische Präsident hat nicht die Mittel, das Zarenreich oder gar die UdSSR wiederherzustellen, da seine Diktatur die ehemaligen Sowjetrepubliken, die er so gerne wieder an sich binden würde, von Russland fernhält. Für Russland käme nur eine Demokratisierung in Frage, doch solange Wladimir Putin sich nicht aus der Ukraine zurückziehen und die Führung abgeben muss, bleibt dies nur ein Traum.